Lehrkräftebildungsgesetz

Berliner Lehrkräfte meist unzureichend für inklusiven Unterricht qualifiziert

Das Berliner Lehrkräftebildungsgesetz steht auf dem Prüfstand: Die Monitoring-Stelle UN-BRK kritisiert fehlende inklusionspädagogische Vorgaben und sieht Defizite bei der Qualifizierung von Lehrkräften. Mit der geplanten Novelle bietet sich die Chance, menschenrechtliche Standards zu verankern und das Recht auf inklusive Bildung in Berlin nachhaltig zu sichern.

24.09.2025

Der Berliner Senat hat am 18. Juni 2025 einen Entwurf zur Änderung des Lehrkräftebildungsgesetzes vorgelegt. Über diesen wird das Abgeordnetenhaus voraussichtlich im kommenden Plenum am 25. September 2025 entscheiden. Die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) des Deutschen Instituts für Menschenrechte nahm dies zum Anlass, den Gesetzentwurf einer systematischen Normenprüfung zu unterziehen. Dabei werden sowohl die geplanten Änderungen als auch die bestehenden Regelungen des Lehrkräftebildungsgesetzes auf ihre Vereinbarkeit mit der UN-BRK überprüft.

Ezgi Aydınlık, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle UN-BRK am Deutschen Institut für Menschenrechte, betont dazu: 

„Die Monitoring-Stelle hat bereits 2013 das Berliner Lehrkräftebildungsgesetz überprüft und konkrete Änderungsvorschläge unterbreitet. Diese wurden jedoch nicht aufgegriffen. Auch die heute veröffentlichte Stellungnahme zeigt: Das geltende Gesetz ist ungeeignet, die rechtlichen Grundlagen für inklusive Bildung in Berlin zu verbessern. Mit der aktuellen Novelle besteht die Chance zu substantiellen Weiterentwicklungen – diese sollte unbedingt genutzt werden.“

Lehrkräftebildung als Schlüssel zur inklusiven Transformation

Gemäß Artikel 24 Absatz 4 der UN-BRK ist Berlin dazu verpflichtet, Fachkräfte auf allen Ebenen des Bildungssystems in inklusionspädagogischen Kompetenzen zu schulen. Die Schulung soll die Lehrkräfte in die Lage versetzen, geeignete ergänzende und alternative Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen sachgerecht einzusetzen.

Repräsentative Lehrkräftebefragungen verdeutlichen jedoch massive Defizite in der Aus-, Weiter- und Fortbildung von Lehrkräften für den gemeinsamen Unterricht. Eine aktuelle Lehrkräftebefragung, die der Verband Bildung und Erziehung im Jahr 2025 in Auftrag gegeben hat, bestätigt, dass sich rund zwei Drittel der Lehrkräfte in Studium und Ausbildung nicht ausreichend auf den inklusiven Unterricht vorbereitet fühlen.

Diese Problematik zeigt sich verstärkt an Berliner Sekundar- und berufsbildenden Schulen, an denen entsprechend qualifizierte Lehrkräfte fehlen. Sie steht auch im Zusammenhang mit der hohen Anzahl von Schüler*innen mit Behinderungen in Berlin, die von Nichtbeschulung oder verkürzter Beschulung betroffen sind. 

„Schulausschlüsse werden zwar häufig mit dem Verhalten der betroffenen Schüler*innen begründet, beruhen jedoch in der Regel auf fehlender adäquater Unterstützung und Infrastruktur für Schüler*innen mit Behinderungen“, 

erklärt Aydınlık.

Angemessene Vorkehrungen im Einzelfall sicherstellen

Erfahrungsberichte von Fachverbänden, Elterninitiativen und Einzelpersonen aus Berlin verdeutlichen, dass angemessene Vorkehrungen im Schulalltag häufig fehlen. Es werden vielfältige Problemlagen dokumentiert: ungeeignete oder nicht barrierefreie Lernmaterialien, unzureichende Unterstützung bei der Nutzung assistiver Technologien (zum Beispiel Höranlagen) sowie Fälle, in denen besondere Unterstützungsbedarfe nicht erkannt oder angemessen berücksichtigt werden.

Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass Lehrkräfte darin qualifiziert werden, angemessene Vorkehrungen gemäß Absatz 2c für die Bedürfnisse des Einzelnen zu identifizieren und umzusetzen. Die Versagung angemessener Vorkehrungen stellt eine konventionswidrige Diskriminierung gemäß Artikel 5 der UN-BRK dar. Auch das Berliner Landesgleichberechtigungsgesetz enthält entsprechende Vorgaben.

Menschenrechtliche Ausrichtung der Lehrkräftebildung erforderlich

Die vorliegenden Befunde aus aktuellen Lehrkräftebefragungen und zivilgesellschaftlichen Verbünden zeigen deutlich, an welchen Stellschrauben für eine inklusive Beschulung in Berlin gedreht werden muss: Neben der Bereitstellung ausreichender Sach- und Personalmittel (multiprofessionelle Teams) sind inklusionspädagogische Kompetenzen des Lehrpersonals entscheidend.

Daher sollte das Lehrkräftebildungsgesetz bereits in seinen grundlegenden Zielen die Verwirklichung des Rechts auf inklusive Bildung explizit verankern und die konkreten Anforderungen inklusiver Bildung verbindlich aufnehmen. Dazu gehören die Befähigung zum gemeinsamen Unterricht von Schüler*innen mit und ohne Behinderungen, zur multiprofessionellen Kooperation, zur Umsetzung angemessener Vorkehrungen und individueller Unterstützungsmaßnahmen und Kenntnisse in alternativen Kommunikationsformen.

„Fehlende inklusionsbezogene Lehrangebote verhindern die Verwirklichung des Rechts auf inklusive Bildung und stehen im Widerspruch zu den Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention“, 

stellt Aydınlık klar. 

„Inklusionsbezogene Kompetenzen müssen daher verbindlich in allen Ausbildungsphasen verankert und das Angebot an berufsbegleitenden Fortbildungen substantiell ausgebaut werden.“

In der heute veröffentlichten Stellungnahme legt die Monitoring-Stelle konkrete Formulierungsvorschläge vor, um das Lehrkräftebildungsgesetz an die menschenrechtlichen Anforderungen anzupassen und die notwendige Transformation zu einem inklusiven Bildungssystem normativ abzusichern.

Quelle: DIMR – Deutsches Institut für Menschenrechte vom 15.09.2025