Gute Praxis aus den Bundesländern

Gegen die Wohnungsnot junger Menschen

Das Thema Wohnraum für junge Menschen gewinnt auf europäischer Ebene zunehmend an Bedeutung – sei es in politischen Strategien, in der Praxis vor Ort oder in der Forschung. Auch im Rahmen des europäischen Informationsportals YouthWiki steht das Thema derzeit im Fokus. Bis Ende des Jahres ist ein vergleichender Bericht geplant, der die wohnpolitischen Rahmenbedingungen, Entwicklungen und Maßnahmen in den teilnehmenden Ländern systematisch zusammenführt.

29.07.2025

In Deutschland wurden zu diesem Thema Rückmeldungen von den Bundesländern eingeholt – über ein kompaktes Feedbackverfahren im Rahmen des YouthWiki-Prozesses. Ziel war es, ein möglichst differenziertes Bild der wohnpolitischen Situation junger Menschen in den einzelnen Bundesländern zu gewinnen und aktuelle Herausforderungen und innovative Ansätze sichtbar zu machen.

Beispiele guter Praxis

In einigen Bundesländern werden derzeit mehrere modellhafte Projekte im Bereich Housing First umgesetzt, um (jungen) Menschen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu ermöglichen. Housing First ist ein vergleichsweise neuer Ansatz, der ursprünglich in den USA entwickelt wurde. Im Gegensatz zum traditionellen Modell, bei dem obdachlose Menschen zunächst über Notunterkünfte oder Übergangswohnformen schrittweise an eine eigene Wohnung herangeführt werden, stellt Housing First den direkten Zugang zu dauerhaftem Wohnraum an den Anfang.

Solche Modellprojekte werden derzeit u.a. in Baden-Württemberg (6 Modellprojekte), Berlin (6 Modellprojekte), Sachsen (Modellprojekt 2021-2024), Mecklenburg-Vorpommern (Projekt MOINS) und dem Saarland (Modellprojekt) erfolgreich umgesetzt. Diese Angebote richten sich zwar grundsätzlich an die Gesamtbevölkerung, schließen jedoch auch junge Erwachsene aktiv ein und bieten ihnen stabile Ausgangsbedingungen für weiterführende Hilfen.

Daneben gibt es weitere – teilweise auch kreative – Ansätze: In Bayern wird im Rahmen des Projekts Leerstand jetzt WOHNEN ein ehemaliges Rathaus in Wohnraum für junge Erwachsene umgewandelt – unter aktiver Beteiligung der künftigen Mieter:innen. In Hamburg unterstützt das Projekt Jugend & Wohnen Careleaver:innen beim Übergang in eine eigene Wohnung durch individuelle Beratung, Vermittlung passender Wohnangebote und enge Begleitung vor und nach dem Einzug. In Baden-Württemberg werden beim Projekt WiM – Wohnen ist Menschenrecht Jugendliche ab 16 Jahren und junge Erwachsene im Rahmen von Betreutem Jugendwohnen unterstützt und bei beruflichen Übergängen begleitet. Das Projekt hatte den Ansatz, junge Menschen bei der Wohnungssuche zu unterstützen, bei bedrohten Mietverhältnissen zu beraten und ggf. zwischen Vermietenden und Mieter:innen zu vermitteln.

Politische Maßnahmen: Sozialer Wohnungsbau

Im Rahmen des Bund-Länder-Programms Junges Wohnen wird in vielen Bundesländern das Wohnen für Auszubildende und Studierende gefördert. Das Programm ist Teil des sozialen Wohnungsbaus. Ziel ist es, bezahlbare Wohnheimplätze für Auszubildende und Studierende zu schaffen oder bestehende Strukturen zu modernisieren. Umgesetzt wird das Programm in den Bundesländern, u.a. in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Auch Strukturen wie Sozialämter nehmen (nach SGB XII) eine zentrale Rolle für Betroffene einer (drohenden) Wohnungslosigkeit ein. Jobcenter übernehmen (nach SGB II) unter anderem die Aufgabe, Wohnungslosigkeit präventiv zu verhindern.

Darüber hinaus fördert beispielsweise in Berlin die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie das Jugendwohnen (Grundlage § 13.3. Sozialgesetzbuch VIII). Ein Alleinstellungsmerkmal des § 13.3 SGB VIII liegt in der Kombination von Wohnraumvermittlung und sozialpädagogischer Betreuung, die eine zielgerichtete gesellschaftliche und berufliche Eingliederung ermöglichen kann.

Forschung aus den Bundesländern

  • Eine Umfrage der Handwerkskammer Berlin (2025) zeigt, dass die angespannte Wohnsituation für viele junge Menschen ein zentrales Hindernis bei der Aufnahme einer Ausbildung ist. Mehr als die Hälfte der befragten Betriebe ist bereit, Auszubildende aktiv bei der Wohnungssuche zu unterstützen. Über 70 Prozent leisten sogar finanzielle Zuschüsse von bis zu 200 Euro zusätzlich zum Ausbildungsgehalt. Die durchschnittliche Zahlungsbereitschaft liegt bei 109 Euro. Besonders engagiert zeigen sich Betriebe, die Schwierigkeiten haben, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.
  • Die Studie Wohnsituation von Auszubildenden in Berlin (2024) zeigt, dass die angespannte Wohnsituation in Berlin zunehmend zum Hemmnis für den Zugang zur Berufsausbildung wird. Viele Auszubildende finden keine bezahlbare Wohnung, was zu Ausbildungsabbrüchen, langen Pendelzeiten oder der Ablehnung von Ausbildungsplätzen führt. Bestehende Wohnangebote wie Azubiwohnheime sind begrenzt, werden aber stark nachgefragt – es besteht ein klarer Handlungsbedarf für zielgruppengerechte Wohnlösungen.
  • Der Abschlussbericht Familien in Wohnungslosigkeit (2024) dokumentiert das gleichnamige Förderprogramm zur Unterstützung wohnungsloser oder von Wohnungslosigkeit bedrohter Familien in Baden-Württemberg. Ein zentrales Augenmerk liegt auf der Situation von Kindern und Jugendlichen sowie auf konkreten Unterstützungsleistungen, die ihnen und ihren Familien zugutekommen.
  • Im zweiten Bericht zur gesellschaftlichen Teilhabe „Wohnsituation armutsgefährdeter Menschen in Baden-Württemberg“ (2024) geht es um die Frage, wie sich steigende Wohnkosten und schlechte Wohnbedingungen besonders auf armutsgefährdete Haushalte, Alleinerziehende und Kinder auswirken – und welche politischen Maßnahmen dagegen helfen können. Der Bericht zeigt, dass Wohnen mehr ist als ein Dach über dem Kopf: Es entscheidet über Teilhabe, Gesundheit und Zukunftschancen. Der Bericht ist Bestandteil der modularen Armutsberichterstattung des Landes Baden-Württemberg.
  • Der Wohnungslosenbericht für das Saarland (2024) erfasst erstmals systematisch das Ausmaß, die Struktur und die Unterstützungsangebote für wohnungslose Menschen im Saarland und analysiert u.a. auch die Lage junger Menschen. Der Bericht wurde im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit des Saarlandes von der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes veröffentlicht.
  • Der Handlungsleitfaden zur Umsetzung des Housing-First-Ansatzes in Sachsen (2023) begleitet wissenschaftliche Evaluationen von Housing-First-Projekten, ergänzt durch einen praxisorientierten Leitfaden für Kommunen – allerdings ohne speziellen Fokus auf die Zielgruppe junger Menschen. Housing-First-Projekte haben sich in Deutschland seit einigen Jahren zunehmend etabliert, auch wenn der Start im europäischen Vergleich eher spät erfolgte. Mittlerweile existieren über 30 Projekte.

 

Redaktion: Leonie Kaiser