Weltalphabetisierungstag 2022

Lesen öffnet das Tor zur Welt – von Anfang an

Durch mangelnde Lese- und Schreibkompetenzen fehlen zentrale Voraussetzungen für den Zugang zu Bildung und für die Entwicklung der eigenen Potenziale. Das erschwert den Zugang zum Arbeitsmarkt. Es gilt, diesen Kreislauf zu durchbrechen, denn das Problem setzt sich fort, wenn die heutigen Kinder und Jugendlichen selbst Eltern sind. Deshalb muss aufholende Alphabetisierung und Grundbildung eng mit präventiver Leseförderung verzahnt werden, so die Stiftung Lesen.

20.09.2022

6,2 Millionen Deutsch sprechende Erwachsene können nicht richtig lesen und schreiben. Ein großer Teil von ihnen hat es nie richtig gelernt – das Problem beginnt bereits in der Kindheit und Jugend. Und es setzt sich fort, denn wenn gering literalisierte Erwachsene Eltern werden, können sie ihren Kindern nur eingeschränkt Impulse mitgeben, die den Einstieg in das Lesen erleichtern, z. B. durch regelmäßiges Vorlesen von Geschichten. Die Vorlesestudie 2018 belegt, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, leichter lesen lernen. Schüler/-innen mit eingeschränkten Lesekompetenzen dagegen haben geringere Perspektiven auf gute Entwicklungs- und Ausbildungschancen, wie der diesjährige Bildungsbericht aufzeigt.

Anlässlich des Weltalphabetisierungstags 2022 sagte Prof. Dr. Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen:

„Wir müssen diesen Kreislauf durchbrechen und nachhaltige Maßnahmen ergreifen, um allen Altersgruppen eine ausreichende Grundbildung zu ermöglichen. Dazu gilt es, Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit präventiven und aufholenden gleichermaßen zu erreichen und zu fördern – mit dem Ziel, ihnen unabhängig von ihren materiellen, kulturellen oder sozialen Voraussetzungen gute Kenntnisse im Lesen und Schreiben zu ermöglichen. Ein Schlüssel dazu ist die Motivation von Erwachsenen, ihre eigenen Kompetenzen zu verbessern – auch um ihrer Kinder willen, denen sie gute Startchancen geben wollen.“

Wie das gelingen kann, untersucht das aktuell laufende Forschungs- und Entwicklungsprojekt „MOVE – Motivation und Verbindlichkeit im Alltag von Erwachsenen mit Grundbildungsbedarf”. Im Rahmen der Untersuchung geht das Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen der Frage nach, unter welchen Bedingungen sich Menschen mit Grundbildungsbedarf motivieren lassen, Lernangebote verbindlich wahrzunehmen.

Simone Ehmig ergänzte:

„Ein erster Zwischenstand der repräsentativen Befragungen zeigt besonders bei Eltern mit kleinen Kindern und Schulkindern ein Bewusstsein für den Wert von Bildung und die Bereitschaft, selbst aktiv zu werden. Das bestätigt uns, dass wir mit den Programmen der Stiftung Lesen, bei denen Familien im bildungsfernen Kontext angesprochen werden sollen, einen Schlüssel in der Hand halten, um auch Erwachsene mit Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben zu erreichen.“

Jedes gelesene Wort zählt

Die Stiftung Lesen gibt Tipps und Inspirationen zum ehrenamtlichen Engagement im Bereich der Leseförderung:

Texte sinnerfassend lesen zu können, ist eine Schlüsselkompetenz und damit wegweisend für gute Zukunftschancen von Kindern und Jugendlichen. Dennoch verlässt jedes fünfte Kind die Grundschule, ohne ausreichend lesen zu können. Ein Defizit, das sich später kaum noch aufholen lässt. Daher ist es wichtig, dass Kindern regelmäßig vorgelesen wird oder durch gemeinsames Lesen unterstützt werden, um ihre Lesekompetenz zu stärken. In Schulen, Kindergärten, Bibliotheken und weiteren Bildungseinrichtungen leisten ehrenamtliche (Vor)leser/-innen mit ihrem Einsatz diesen wichtigen Beitrag. Aber wie kann man sich eigentlich ehrenamtlich für die Leseförderung engagieren? Die Stiftung Lesen gibt in ihrem Ehrenamtsbereich hilfreiche Tipps und Inspirationen.

Als ehrenamtliche/-r Vorleser/-in aktiv werden

„Ehrenamtliches Vorlesen ist heute wichtiger denn je. Die Bildungsinstitutionen in Deutschland haben oftmals nicht die Kapazitäten, um Kinder, die besondere Hilfe benötigen, ausreichend zu fördern. Dabei ist Lesen die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsweg. Wir alle stehen in der Verantwortung, Kindern diese Chance zu ermöglichen. Ob regelmäßiges oder einmaliges Angebot: Jede Vorlesestimme zählt!“, erklärte Dr. Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen.

Vom 12.09. bis zum 16.09. veranstaltete die Stiftung Lesen eine Ehrenamtswoche auf ihren Social-Media-Kanälen. Dort wird es Einblicke in die Arbeit von Ehrenamtlichen geben sowie Tipps zum ehrenamtlichen Engagement.

Viele weitere hilfreiche Informationen und Tipps für das ehrenamtliche Engagement in der Leseförderung finden angehende und bereits tätige (Vor)lesepat/-innen auf dem neuen Ehrenamtsbereich der Stiftung Lesen. Das Portal konnte durch eine Spende der Thalia Bücher GmbH, die Mitglied im Stifterrat der Stiftung Lesen ist und sich bereits seit vielen Jahren für die Leseförderung in Deutschland stark macht, realisiert werden.

Stiftung Lesen gibt acht Tipps, für das ehrenamtliche Vorlesen:

  1. Das richtige Vorlesesetting: Eine schöne Atmosphäre ist wichtig für eine Vorleseaktion! Am besten suchen Sie sich einen ruhigen Platz, der gemütlich z. B. mit Kissen eingerichtet ist. So fällt das längere Sitzen und Lauschen leichter.
  2. Die Gruppengröße: Wie groß die Gruppe sein kann, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab. Als Anhaltspunkt schlagen wir in der Regel vor, dass 5 bis 8 Teilnehmer/-innen eine gute Anzahl ist, um entspannt und in Ruhe gemeinsam Bilder betrachten oder über die Geschichte sprechen zu können. Es gilt: Je kleiner die Gruppe, desto besser kannst du auf jede/-n Einzelne/-n eingehen.
  3. Die Dauer: Als reine Vorlesezeit empfehlen wir bei Kita-Kindern nicht mehr als 10 und bei Grundschulkindern nicht mehr als 20 Minuten. Bei Senior/-innen hängt die Vorlesezeit stark von der jeweiligen Beeinträchtigung ab. Die restliche Zeit kannst du mit Erzählen, Spielen oder Basteln gestalten.
  4. Der passende Medientitel: Eine (Vor-)Leseaktion will gut vorbereitet sein. Ganz zentral ist dabei natürlich das Bilderbuch, der Kinderroman, das Sachbuch, das Wimmelbuch, die App, das Spiel usw., das Sie einsetzen und um das herum Sie deine Aktion gestalteten. Folgende Fragen sollten Sie sich im Vorfeld stellen: Wie alt ist mein Publikum? Welche Themen könnten interessant sein? Hat mein Publikum schon Vorlese-Erfahrung?
  5. Thematische Anschlussaktion und weitere Ausgestaltung des Vorlesens: Ihre Vorleseaktion wird ein voller Erfolg, wenn Sie rund um die Geschichte noch mehr anbieten! Das kann ein gleichbleibendes Einstiegs- oder Abschlussritual sein wie ein Reim, ein Lied oder eine kleine Bewegungsübung, dass das Vorlesen einrahmt. Und besonders toll wird es, wenn Sie gemeinsam noch eine passende Aktivität anschließen. Bieten Sie einfach zum Thema der Geschichte passende Spiele, Bastel-Ideen und Dekorationsmöglichkeiten an.
  6. Die Vorbereitung: Am besten lesen Sie sich die Geschichte selbst laut vor, bevor Sie diese der Gruppe vorlesen. So merken Sie schnell, ob sich der Text zum Vorlesen eignet, an welchen Stellen er vielleicht gekürzt werden muss und wie die Stimmung der Geschichte ist.
  7. Die Vorlesetechnik: Langsam und deutlich vorlesen und ab und zu den Blickkontakt zu den Zuhörenden herstellen, ist die Basis für eine gelungene Vorlesezeit. Aber es geht noch so viel mehr! Mit Ihrer Stimme, die mal lauter und mal leiser sein kann, passenden Gesichtsausdrücken oder schwungvollen Gesten machen Sie die Geschichte lebendig. Dabei können Sie ruhig etwas übertreiben oder Ihre Zuhörer/-innen zum Mitmachen ermuntern – so macht es noch mehr Spaß! Außerdem sind Pausen beim Vorlesen wichtig – entweder um ein bisschen Dramatik und Nervenkitzel aufzubauen oder wenn die Konzentration der Gruppe gerade nachlässt. Da kann eine Unterbrechung mit Fragen zur Geschichte ein gutes Mittel sein, um die Aufmerksamkeit wieder zur Geschichte zu holen.
  8. Der Austausch: Vorlesen sollte kein einseitiger Monolog sein, sondern immer die Zuhörenden mit einbeziehen. Daher ist es sinnvoll, den Text nicht am Stück vorzulesen, sondern immer wieder kleine Unterbrechungen mit Fragen einzubauen. Und wenn Zwischenfragen oder Kommentare aufkommen: Super, dann beschäftigen sich die Zuhörenden mit der Geschichte und möchten sich dazu austauschen! Greifen Sie diese Gedanken also ruhig auf! Manchmal bietet es sich auch an, gar nicht vorzulesen, sondern einfach gemeinsam mit den Kindern den Medientitel zu erschließen: zum Beispiel über die Bilder. So können auch Sachbücher toll eingesetzt werden: Eine spannende Doppelseite aufschlagen und darüber ins Gespräch kommen!

Quelle: Stiftung Lesen vom 06.09.2022 und 08.09.2022

Redaktion: Pia Kamratzki

Back to Top