Coronavirus

Jugendbilder in Zeiten von Corona: Engagement, Verantwortung und Solidarität – jenseits von Corona-Partys

Zu Beginn der Corona-Krise zeigten Nachrichten große Ansammlungen von jungen Menschen in der Öffentlichkeit und berichten von verantwortungslosem Verhalten. Doch entspricht dieses Bild von Jugendlichen der Realität? Das Bundesjugendministerium fordert dazu auf, genauer hinzuschauen. Denn viele junge Menschen handeln solidarisch. Sie unterstützen ihre Großeltern, kaufen für Nachbarn ein und entwickeln neue Ideen zur besseren Bewältigung der Krise.

14.04.2020

Verantwortliches Verhalten ist keine Frage des Alters

Die Corona-Krise stellt nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Unternehmen und ältere Menschen eine große Belastungsprobe dar. Auch für junge Menschen ist die jetzige Situation der Distanz und Isolation eine große Herausforderung. Dennoch lässt sich feststellen, dass gerade sie sich – entgegen einer sehr einseitigen öffentlichen Darstellung – in besonderer Weise engagiert, sozial und solidarisch verhalten.

Auch in der jetzigen Zeit haben die meisten jungen Menschen – wie andere Altersgruppen auch – den Ernst der Lage verstanden und die wichtigste Botschaft dieser Tage verinnerlicht: zuhause bleiben, alleine rausgehen, soziale Kontakte online pflegen. Weltweit wird derzeit unter dem Slogan #stayhome dazu aufgefordert, zuhause zu bleiben, die Situation als Chance zu nutzen und neue Wege des Miteinanders zu finden. Auch junge Berühmtheiten, Influencer/-innen und YouTuber/-innen haben sich diesem Aufruf angeschlossen und sprechen motivierend zu ihren Followern. Im Privaten unterstützen Jugendliche ihre Familie und Nachbarn, sie engagieren sich für die Gemeinschaft, generationsübergreifend. Ob sie Podcasts für ihre Großeltern aufnehmen, eine Nachbarschaftshilfe zum Einkaufen anbieten oder andere kreative digitale Wege finden, das Sozialleben zu fördern.

Auch jenseits von Corona verhalten sich viele junge Menschen im hohen Maße altruistisch. Der vierte Deutsche Freiwilligensurvey zeigt, dass insgesamt knapp die Hälfte aller 14- bis 25-Jährigen in Deutschland freiwillig engagiert ist. Die Engagementbeteiligung junger Menschen liegt damit über dem Bevölkerungsdurchschnitt von 43,6 Prozent. Unter anderem mit „Fridays for Future“ haben junge Menschen deutlich gezeigt, dass sie sich für eine lebenswerte Gemeinschaft einsetzen und dass sie dies nicht aus Eigennutz tun, sondern mit Blick auf das Gemeinwohl. Sie handeln generationsübergreifend und werben ausdrücklich darum, dass sich Ältere ihren Aktivitäten anschließen. Der Jugendforscher Klaus Hurrelmann geht soweit festzustellen, dass es eine solche Grundhaltung junger Menschen schon lange nicht mehr gegeben hat.

Verstöße gegen Anti-Corona-Maßnahmen durch junge Menschen?

Trotz des tatsächlichen Engagements junger Menschen konnte in der öffentlichen Debatte beobachtet werden, dass – insbesondere am Anfang der Krise – überwiegend pauschale und negative Bilder „dieser“ Jugendlichen transportiert wurden. Die Öffentlichkeit stellte junge Menschen als wenig solidarisch und verantwortungsbewusst dar. Diese Darstellung blieb nicht folgenlos.  Sogenannte Corona-Partys werden bei Wikipedia bereits mit einem eigenen Eintrag geführt, der diese als Problem definiert, das zumeist von Jugendlichen ausgeht: „Als Corona-Party wird ein geselliges Beisammensein trotz oder wegen der COVID-19-Pandemie (Corona-Krise) bezeichnet. Die meisten Presseberichte sprechen von Jugendlichen, die sich aufgrund der allgemeinen Schulschließungen zu Partys treffen, anstatt zuhause zu bleiben. Die Partys finden in Clubs, in Privatwohnungen oder an öffentlichen Plätzen statt.“

Im Wikipedia-Artikel werden Presseberichte aus ganz Deutschland als Beispiele für Verstöße gegen Anti-Corona-Maßnahmen herangezogen. In diesen Berichten stehen zumeist junge Menschen als Verursacher der Verstöße im Fokus. Wissenschaftliche Studien und/oder Angaben von offizieller Seite zur Gesamtzahl, Häufigkeit oder konkrete Informationen zum Alter der Corona-Party-Teilnehmenden liegen jedoch nicht vor.

Keine empirische Grundlage für verantwortungsloses Verhalten Jugendlicher!

Das Verhalten von vermeintlich uneinsichtigen Jugendlichen, die Freunde treffen, Partys feiern und sogar bewusst andere Menschen anstecken, wurde u.a. als Argument für eine Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen genannt. Doch verhält sich eine Mehrzahl der Jugendlichen tatsächlich so verantwortungslos? Laut Recherchen des Magazins „bento“ gibt es dafür keine wirklichen Anhaltspunkte. Bento spricht von „Hörensagen“ und schreibt, dass Corona-Partys als Phänomen auch seitens Behörden, Polizei oder Ordnungsamt nicht bekannt seien. Auf Nachfrage woher denn die Behauptungen zu Corona-Partys kämen, antwortete die Stadt Köln dem bento, man hätte lediglich sensibilisieren wollen. Im bento heißt es weiter: „Während Ministerpräsidenten und Minister seit Tagen vor den Folgen weiterer Partys warnen, bleibt die Faktenlage abseits einzelner Exzesse dünn.“

Bei 14 Millionen jungen Menschen zwischen 12 und 27 Jahren kann es kein einheitliches Bild von „der Jugend“ geben. Das medial vermittelte Bild eines Massenphänomens von unverantwortlichen und unsolidarischen Jugendlichen entspricht nicht der Realität.(1)

Alle Generationen gehen gemeinsam durch die Krise

Das Bundesjugendministerium setzt sich als Gesellschaftsministerium dafür ein, dass auch in diesen Zeiten Generationen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es geht darum, füreinander da zu sein. Dafür braucht es Empathie und Verständnis für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Ängste.

Statt das scheinbar störende Verhalten von Jugendlichen in den Blick zu nehmen, sollten ihre Lebenswirklichkeiten in den Fokus rücken. Denn die täglichen Herausforderungen für Jugendliche sind in Zeiten von Corona alles andere als einfach zu bewältigen. Gerade junge Menschen in der Pubertät oder kurz danach sind durch die Kontaktsperre in ihrer natürlichen Entwicklung und ihrem Streben nach Autonomie extrem eingeschränkt. Angesichts der Covid-Gefahr sind die getroffenen Maßnahmen notwendig und angemessen. Aber wir müssen auch Verständnis entwickeln für die spezifischen Herausforderungen, die junge Menschen in diesen Zeiten zu bewältigen haben. Wie gestalten Jugendliche ihren Alltag in Zeiten von Corona? Was machen sie den ganzen Tag zu Hause? Wie fühlt sich diese Isolation für sie an? Wie halten sie den gerade in ihrem Alter wichtigen Kontakt zu ihrer Peer-Group? Wie ergeht es etwa jungen Menschen, die sich gerade mitten im Abi-Stress befinden oder gerade auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind?

Das Bundesjugendministerium fordert eine differenzierte und realitätsbezogene Darstellung und Würdigung der Sorgen, Nöte und vor allem Leistungen von jungen Menschen auch in Zeiten der Corona-Pandemie. Und dazu gehören soziales Engagement, gesellschaftliche Verantwortung und generationenübergreifende Solidarität.

Die Jugendstrategie der Bundesregierung steht für realistische Jugendbilder ein

Zukunft, Generationendialog & Jugendbilder: das ist eines von neun Handlungsfeldern der Jugendstrategie der Bundesregierung unter dem Motto „In gemeinsamer Verantwortung: Politik für, mit und von Jugend“. Im Mittelpunkt stehen junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren.

In der Jugendstrategie der Bundesregierung heißt es: „Pauschalisierende Jugendbilder vernachlässigen die tatsächliche Vielfalt von jugendlichen Wirklichkeiten. Jugend ist ebenso heterogen wie die Gesellschaft, deren Teil sie ist. Für eine realistische Darstellung von Jugendlichen und ihren vielfältigen Lebenswelten kommt Politik, Medien und Wissenschaft eine große Verantwortung zu. Sie prägen die Wahrnehmung von Jugendlichen in der Öffentlichkeit.“

Die Broschüre zur Jugendstrategie „In gemeinsamer Verantwortung - Politik für, mit und von Jugend“ (PDF, 6,5 MB) steht als Download beim Bundesjugendministerium bereit.

Weitere Informationen zu Hintergründen, Bausteinen und Arbeitsweisen der Jugendstrategie der Bundesregierung finden sich auf den Themenseiten des Bundesjugendministeriums und unter www.jugendhilfeportal.de/jugendstrategie

Weiterführender Lektürehinweis (1):  Zeitgeschichte online - Die Pandemie als Generationenkonflikt? Von „Corona-Partys“ und Moral Panics

Autorin des Beitrags: Nadine Salihi

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