Jugendpolitik

Armutsforscher Christoph Butterwegge über Ursachen und Folgen von Jugendarmut

Für jugendgerecht.de hat der Armutsforscher Prof. Dr. Christoph Butterwegge in einem Debattenbeitrag Ursachen, Erscheinungsformen und Folgen von Jugendarmut in Deutschland skizziert. Zudem fordert er ein integriertes Gesamtkonzept zur Bekämpfung von Armut bei jungen Menschen und ihren Familien.

20.06.2022

Der ausführliche Gastbeitrag auf jugendgerecht.de beginnt mit der Einordnung, dass Jugendarmut – verglichen mit der Kinderarmut – deutlich weniger gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhält. Und das, obwohl 2020 die Armutsrisikoquote für Menschen von 18 bis 24 Jahren mit 26% sowohl historisch als auch im Vergleich mit den übrigen Altersgruppen ein Rekordhoch darstellt.

Dabei zeigt sich Armut nicht nur in wenig Geld, sondern auch in fehlenden Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten in allen Lebensbereichen - nicht zuletzt in Bezug auf die Möglichkeiten, durch höhere Bildungsabschlüsse in besser bezahlte Arbeit aufzusteigen. Armut schließt aber auch aus zahlreichen Prozessen Gleichaltriger aus und wird oft als demütigend und deprimierend erlebt.

Drei Ebenen der Ursachen von Armut

Die Ursachen von Armut liegen für Butterwegge auf drei Ebenen: zunehmend prekäre Arbeitsverhältnisse reduzieren das Familieneinkommen und führen zu schlechteren Chancen armutsbetroffener junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt – ein Teufelskreis. Zudem wachsen immer mehr Kinder außerhalb der (steuerlich subventionierten) „traditionellen Hausfrauenehe" auf, insbesondere Alleinerziehende tragen das größte Armutsrisiko. Zuletzt wurden wohlfahrtsstaatliche Elemente abgebaut, welche früheren Generationen noch mehr soziale Sicherheit boten.

Zudem sind junge Menschen in ALG-II-Bezug oft schneller und härter von Sanktionen der Jobcenter betroffen, die schon bei der zweiten Pflichtverletzung zu Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit führen können.

Die Folgen der Covid-19-Pandemie, die zum Erscheinen des Artikels bereits über zwei Jahre andauert, traf junge Menschen zudem besonders hart. Ein signifikanter Rückgang des Lehrstellenangebots trifft insbesondere junge Menschen ohne Abitur. Für Studierende sind zahlreiche Nebenverdienstmöglichkeiten weggefallen, ohne die allerdings der Lebensunterhalt nicht mehr finanzierbar war.

Politischer Handlungsbedarf an zahlreichen Stellen

Prof. Butterwegge sieht politischen Handlungsbedarf daher an zahlreichen Stellen. Ein integriertes Gesamtkonzept müsse aus seiner Sicht auf den Säulen „gesetzlicher Mindestlohn ohne Ausnahmen in existenzsichernder Höhe, Ganztagsbetreuung für alle Klein- und Schulkinder, Gemeinschaftsschule, bedarfsgerechte, armutsfeste und repressionsfreie soziale Grundsicherung" aufbauen. Zudem brauche es eine Großoffensive gegen Kinder- und Jugendarmut, die im Zusammenspiel staatlicher und zivilgesellschaftlicher Stellen angestoßen werden müsse.

Quelle: Arbeitsstelle Eigenständige Jugendpolitik – jugendgerecht.de

Redaktion: Nils Rusche

Back to Top