Studie

KiMiss-Studie 2016/17

PD Dr. Hans-Peter Duerr

Strukturebene: Bund

Die KiMiss-Studie erhebt Daten zur Lebenssituation von Trennungs- und Scheidungskindern in Deutschland aus der Sicht von Elternteilen, die getrennt von ihren Kindern leben und weniger Kontakt zu diesen haben, als sie sich wünschen. Die Datenerhebung 2016/17 folgte der Studie 2012 und untersucht die Entwicklungen der letzten Jahre unter Berücksichtigung der 2013 in Kraft getretenen Neuregelung des §1626a BGB, der die gemeinsame Sorge nichtverheirateter Eltern fördert.

Die Studie ergibt im Vergleich zu 2012 ein Bild mit zwei Seiten: während sich die Gesamtsituation, gemessen an der Anzahl der Studienteilnehmer, verbessert hat, hat sich der mittlere Grad von Hochstrittigkeit im aktuellen Studienkollektiv erhöht. Die Neuregelung des §1626a BGB verhindert offenbar nur gering- und mittelgradige Elternkonflikte, so dass sich hochstrittige Fälle - prozentual gesehen - anreichern. Dies wird an drei Beispielen illustriert, insbesondere am Beispiel Kindesentzug, der unter den verbleibenden Fällen nun einen weitaus höheren Anteil einnimmt als früher.

Die Daten wurden mit dem KiMiss-Algorithmus ausgewertet, der es erlaubt, eine familiäre Fallkonstellation durch einen Summenscore zu quantifizieren. 62% der berichteten Fallkonstellationen sind demnach als Kindesmisshandlung oder -missbrauch zu klassifizieren. Die Prävention von Hochstrittigkeit wird damit zum vordringlichen Thema der nächsten Jahre werden.

Positive Veränderungen sind bei der Problematik Eltern-Kind-Entfremdung erkennbar. Seit 2012 hat sich der Anteil von Eltern, die eine vollständige Eltern-Kind-Entfremdung berichten, von 19% auf 9% halbiert. Die Daten zeigen mit Blick auf die Entfremdungs-Wahrscheinlichkeit, dass ein Umfang von 30% der Jahreszeit als eine minimal erforderliche Beziehungszeit darstellt und ein Umfang von 16% der Jahreszeit nicht unterschritten werden darf.

Die Befunde zeigen insgesamt, dass eine breitere Durchführung der gemeinsamen Sorge sich positiv auf die Lebensumstände von Trennungskindern auswirkt. Die Prävention von Hochstrittigkeit kristallisiert sich andererseits als das neue Problem der nächsten Jahre heraus. Hochstrittigkeit ist unter dem Aspekt der 'feindselig-aggressiven Elternbeziehung' zu behandeln, weil sie Fälle von emotionalem Kindesmissbrauch und von psychischen Misshandlungsformen erzeugt, die bislang nicht als solche behandelt werden.

Die Studie zeigt, dass das KiMiss Erhebungsverfahren zeitliche Veränderungen erfassen kann und sich für die Erhebung von Routinedaten eignet. Das Konzept des Verlusts von Kindeswohl ermöglicht eine Datenerfassung, die zeitliche Trends und Risikofaktoren erfasst und als Instrument zur Diagnostik und Prävention von Hochstrittigkeit verwendet werden kann.

Kontakt

KiMiss-Projekt, PD Dr. Hans-Peter Duerr
Universität Tübingen
Klinische Psychologie und Psychotherapie
Schleichstraße 4
72076 Tübingen

Herausgabedatum

2017

Weitere Themen

Kinder- und Jugendschutz
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