Studie

KiMiss-Rating 2014: Verlust von Kindeswohl

Dr. Hans-Peter Dürr, Universität Tübingen, Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie

Strukturebene: Bund

Der Begriff Kindeswohl gilt einerseits als nicht definiert und schwebt juristisch als unbestimmter Rechtsbegriff im Raum, während sich andererseits jede familiengerichtliche Entscheidung diesem Begriff unterordnen soll. Bei der weithin akzeptierten Meinung, dass Kindeswohl nicht definierbar sei, wird übersehen, dass der Begriff einem Konzept der Lebensqualität entstammt: Kindeswohl ist eine Kindheits-bezogene Lebensqualität, und diese kann bestimmt und vermessen werden, wie auch andere Lebensqualitäts-Maße.

Zwischen einer familiengerichtlichen Entscheidung und dem zugrundeliegenden Sachverhalt besteht eine Verhältnismäßigkeit, oder quantitativ ausgedrückt: eine Art Proportionalität. Dies wurde mit Methoden der Skalenbildung untersucht. Das Rating ergibt einen Score, der sich - in Anlehnung an Verlust von Lebensqualität - als relativer Verlust von Kindeswohl interpretieren lässt (siehe Methodik).

Das Maß des relativen Verlusts von Kindeswohl ermöglicht, verschiedene Formen von familiärer Gewalt in Relation zueinander zu stellen, mit dem Ziel, Entscheidungsträgern an Familiengerichten und in Jugendbehörden, doch auch Eltern und Familien, ein Instrument an die Hand zu geben, das bei den schwierigen und schwerwiegenden Entscheidungen zum Kindeswohl hilft, methodisch korrekt, nachvollziehbar und zuverlässig argumentieren zu können.

Das KiMiss-Projekt des Universitätsklinikums Tübingen - Mathematisch Naturwissenschaftliche Fakultät untersucht die Frage, in welchem Ausmaß das Getrenntleben oder die Trennung von Eltern und Kindern zu einer Sorgerechtsproblematik, oder zu Problemen wie Eltern-Kind-Entfremdung oder Sorgerechtsmissbrauch führt. Ein langfristiges Ziel des Projekts ist, gesellschaftliche und praktizierbare Definitionen für Begriffe wie Sorgerechtsmissbrauch, Kindesmissbrauch oder Kindesmisshandlung zu entwickeln.

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