Monographie / Buch

Kulturschock Deutschland. Der zweite Blick

Wagner, Wolf

Strukturebene: Bund

"Es wächst zusammen, was zusammen gehört" hieß es 1990 hoffnungsvoll. Doch zehn Jahre später ist Deutschland bei weitem noch nicht so geeint, wie viele es zu Zeiten der Wiedervereinigung erwartet hatten. Den Ursachen dieser Uneinigkeit auf die Spur zu kommen ist keine einfache Angelegenheit, beherrschen doch Tabus und gegenseitige Vorwürfe die Szenerie. Der Sozialwissenschaftler Wolf Wagner geht daher den demographisch unterfütterten Weg und nutzt objektive statistische Daten zur Ergründung der innerdeutschen Differenzen. Damit ist dieser Band die sinnvolle Fortführung des subjektiv ausgelegten ersten Kulturschock Deutschland von 1996.

In der Tat erlitten die Ostdeutschen einen "Kulturschock", als die Bundesrepublik ihre DDR vereinnahmte. Praktisch nichts wurde übernommen, Verwaltung, Konsumgüter, Arbeitswelt, Geld - alles war neu. "Die Menschen, obwohl daheim geblieben, fanden sich in einem fremden Land" und hatten entsprechende Schwierigkeiten. Doch woher rührten die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen?

Die meist angeführten rein wirtschaftlichen Begründungen gehen Wagner nicht weit genug, sieht er doch einen grundsätzlichen Unterschied in der Alltagskultur beiderseits der früheren deutsch-deutschen Grenze. Jedes System hatte sich ganz spezifisch entwickelt; so war die DDR für Wagner "eine hochmoralische Veranstaltung" mit beispielsweise ausgeprägtem Gleichheitssinn, während im Westen die persönlichen Freiheiten in den Mittelpunkt rückten. Das machte ein wiedervereinigtes Zusammenleben schwierig, aber dank ausgeglichenerer Aufstiegsmöglichkeiten lernen beide Seiten langsam miteinander umzugehen.

Wagners sozialwissenschaftlicher Ansatz der kulturellen Differenzen mag schwieriger zu verstehen sein als simple "Wenn, dann"-Erklärungsmuster, die aber taugen nicht für die komplexe Thematik der Wiedervereinigungsschwierigkeiten. Er hingegen analysiert mit seinem Kulturschock-Modell die Ost-West-Unterschiede weit glaubwürdiger als die Heerschar von polemischen Büchern hierüber. -- Joachim Hohwieler

 

ISBN: 3434530479, Broschiert: 195 Seiten, Verlag: Europäische Verlagsanstalt (eva) (Oktober 1999)

Back to Top