Kinder- und Jugendschutz

„Webman, ich will ein Kind von dir!“ und ernstere Anliegen

Im Juni 2009 startete das Projektbüro „Jugend online“ die Kampagne „watch your web“ zur Sensibilisierung von Jugendlichen im Umgang mit persönlichen Daten in Sozialen Netzwerken. Held der Kampagne ist Webman, der auch im populären Netzwerk SchülerVZ für den sicheren Umgang mit Daten kämpft. Die Nutzer/innen des Netzwerks können Webman Fragen stellen. Was bewegt Jugendliche und was wollen sie von Webman?

03.02.2010

Webman
Webman und sein Gegenspieler Data Devil sind die zentralen Charaktere der Kampagne "watch your web". Webman verfügt über ein Edelprofil im schülerVZ und hat über 5.000 anfragen von Jugendlichen beantwortet. Was wird Webman gefragt?

Kampagne "watch your web": www.watchyourweb.de

Als das Team von „Jugend online“ am Morgen nach dem Kampagnenstart einen Blick auf die Profilseite von Webman bei SchülerVZ warf, war klar, dass die Kampagne angenommen wurde. Webmans Postfach quoll mit hunderten von Nachrichten über und mehr als Tausend Jugendliche hatten Nachrichten auf Webmans Pinnwand hinterlassen. Das Team hat seitdem alle Hände voll zu tun, die Anfragen von Jugendlichen zu lesen und zu beantworten. Etwa 20.000 Nachrichten hat Webman bisher bekommen. 5.000 davon bedurften einer Antwort und wurden beantwortet. 

Eine große Anzahl der Anfragen haben oberflächlich betrachtet reinen Unterhaltungs-Charakter: Lustige Kommentare wie „Webman, ich will ein Kind von dir!“, ein unverbindliches „Hallo!“ oder ein „wer bist du denn in Wirklichkeit?“ mischen sich hier. Dahinter verbirgt sich manchmal nicht nur Freude an der Kommunikation und Neugier, sondern auch das Testen der Glaubwürdigkeit des Antwortenden. Dass es Webman wirklich gibt, glaubt natürlich niemand, aber bekommt man von Webman tatsächlich eine Antwort, wenn man eine Frage hat, oder antwortet nur ein Auto-Responder? Die harten Themen kommen dann manchmal im zweiten Schritt und nicht immer spricht der Fragende über sich. „Ich hab eine Freundin, die hat ein Problem“ ist eine häufige Einleitung. Unter den Problem finden sich „Freundschaftsanfragen“ von Unbekannten, Mobbing im und außerhalb des Netzwerks und Treffen mit nur aus dem Netzwerk bekannten „Freunden“. Erstaunlich ist, dass die vom Netzwerk selbst angebotenen Hilfen, Benutzer zu melden oder zu ignorieren, meist unbekannt sind. Dies gilt auch für andere Unsicherheiten, die beispielsweise durch Kettenmails ausgelöst werden. 

Beispiel Kettenmails: Die Unsicherheit der „digital natives“ ist groß

Typische Kettenmails kommen vorgeblich von den Betreibern von SchülerVZ und drohen mit dem Rauswurf aus dem Netzwerk.

Hier ist das SchuelerVZ.net Team ! 
Wir haben beschlossen das alle, schülervz nutzer diese 
Nachricht an min. 15 leute verschicken sollen..... 
Denn letztes mal haben es über 100 schülervz nutzer nicht gemacht.. 
und sind daraufhin die 100 rausgeflogen... 
Dies ist uns wichtig, den wir müssen sehen wer aktiv und wer nicht aktiv ist. 
Das schülervz ist nämlich überfüllt......

Andere Kettenmails verbreiten Inhalte, die gerade bei den Jüngeren echte Ängste auslösen. 

Hallo mein Name ist Sandra. Ich bin sieben Jahre alt. Ich bin Tod. Man hat mich ermordet! Wenn du diese Mail nicht in 10 Minuten an 15 Leute schickst stehe ich heute abend in deinem Bett mit einem Messer und will dich töten!

Weitere Kettenmails versprechen dem Empfänger Einblick in die Profile andere User, die Möglichkeit, deren Post zu lesen und die Profilseite zu verändern, wenn die Nachricht nur an genügend Freunde im Netzwerk weitergeleitet wird. Technisch möglich ist das nicht, aber vielen erscheint es glaubhaft und löst teils Begehrlichkeiten, teils Befürchtungen aus. Ebenso glaubhaft erscheint die verbreitete Meinung, Viren könnten über SchülerVZ verbreitet werden. Auch dies ist technisch nicht möglich, wird aber oft nicht hinterfragt. Natürlich bietet SchülerVZ Informationen und Aufklärung zum Thema Kettenbriefe und angebliche Viren an, vielen ist dies jedoch unbekannt. Die Medienkompetenz der „digital natives“ hat erkennbare Lücken. 

Ein weiteres Feld sind die technischen und gestalterischen Interessen der Jugendlichen. Wie hat es Webman geschafft, Videos in sein Profil zu bekommen? Wo gibt es kostenlos Musik zum Download? Wie trifft man eine bestimmte Einstellung im Web-Browser? Wo gibt es eine kostenlose Software um Bilder zu bearbeiten? 

Für andere ist Webman auch Ansprechpartner für Lebenslagen, die nichts mit der Nutzung des Internets zu tun haben: „Ich habe mich in ein Mädchen verliebt. Woran merke ich, ob sie auch in mich verliebt ist?“  

Bedarf an Information und Beratung ist überdeutlich

Das weite Spektrum der Fragen, die an Webman gerichtet wurden, macht den großen Bedarf an Online-Beratung in Sozialen Netzwerken deutlich. Viele Fragen lassen sich nicht glaubwürdig in der Peet-to-Peer-Welt des Netzwerks klären. Gesucht wird die valide Information und Beratung durch professionelle Erwachsene. Die ist im Internet zwar vielfältig vorhanden, hat sich aber nicht den veränderten Nutzungsgewohnheiten von Jugendlichen angepasst. Wo für Erwachsene eine Suchmaschine der Einstieg ins Internet ist, ist es für Jugendliche ein Soziales Netzwerk. Wenn soziale Arbeit dort nicht vorhanden ist, ist sie in der Lebenswelt vieler Jugendlicher überhaupt nicht vorhanden. Ähnliches gilt für die kulturelle Jugendbildung und Medienpädagogik. 

Das Beispiel Webman zeigt, dass glaubwürdige Information und Beratung angenommen werden. SchülerVZ hat die Wirkung der Kampagne „watch your web“ untersucht und kommt zu dem Ergebnis: 
43 % der Teilnehmer(innen) gaben an, durch Kenntnis der Kampagne ein besseres Verhalten in puncto Datensicherheit zu zeigen, wobei sich dieses Verhalten auf rein technische Maßnahmen, wie den Schutz von Zugangsdaten und eine allgemeine Achtsamkeit im Netz, beschränkt. Dagegen gaben 45 % der Teilnehmer(innen) an, nun vorsichtiger beim Veröffentlichen von und dem Zugang zu Daten und Bildern im Netz vorzugehen. 5 % gaben sogar an, durch „Webman“ zu einem besseren Sozialverhalten gekommen zu sein. (Mehr zur Auswertung der Kampagne durch SchülerVZ)

Glaubwürdigkeit braucht einen Rahmen 

Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit eines Angebots ist, dass es nicht individualisiert durch einzelne Lehrer oder Sozialpädagogen und ohne Absprache mit dem Sozialen Netzwerk selbst gemacht wird. Es bedarf der Reputation einer Institution und der Rückendeckung durch die Betreiber des Netzwerkes. Beides war durch die Beteiligung zweier Ministerien und durch die Unterstützung von SchülerVZ bei „watch your web“ gegeben und sorgte für Vertrauen. 

Dennoch gab es – vor allem zu Beginn der Kampagne „watch your web“ – auch eine Glaubwürdigkeitskrise bei einem Teilsegment der Nutzer/innen. Auch im SchülerVZ gibt es eine politisch denkende jugendliche Informationselite. Die Diskussionen und Entscheidungen um Vorratsdatenspeicherung, Verbot von „Killerspielen“ und Netzsperren sind an ihnen nicht spurlos vorübergegangen. Die Unterstützung der Kampagne durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dessen damalige Ministerin sich für Netzsperren gegen Kinderpornografie exponiert hatte, führt dazu, die Integrität der Kampagne grundsätzlich in Zweifel zu ziehen: 

Webman wird vom Familienministerium unterstützt, dabei hat die Familienministerin ZENSURSULA von der Leyen selbst noch den vorschlag mit den Sperrlisten im Internet gemacht.Das stellt eine Form der Zensur da, und wenn das BKA erstmal diese Listen hat, dann wird es mit Sicherheit auch andere Seiten wie z.b. Filesharingseiten sperren. 
Das ist eine schamlose Unterwanderung des Grundgesetzes!!! 


Bei den Aktivisten dieser Meinung bleibt es nicht bei Nachrichten. In den ersten Tagen der Kampagne war die Pinnwand von Webman der Schauplatz einer Online-Demonstration. Über Stunden wurde von mehreren Usern gleichzeitig versucht, die Pinnwand mit solchen und ähnlichen Statements zu dominieren. 

Wer mit Jugendlichen in „ihren“ Netzwerken ins Gespräch kommen möchte, der muss glaubwürdig vermitteln, dass er diese Jugendlichen Lebensräume und damit die Alltagskultur von Jugendlichen kennt, respektiert und nicht unter Generalverdacht stellt. Auch das gehört zu Webmans Erfahrungen. 

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