Flucht und Migration

Staatsministerin Böhmer legt Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vor

Prof. Dr. Maria Böhmer

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung sieht einen Paradigmenwechsel von der nachholenden zur vorausschauenden Integrationspolitik. "Neben der Reparaturwerkstatt öffnen wir die Zukunftswerkstatt“, so Böhmer.

02.07.2012

„Noch nie hat sich bei der Integration so viel bewegt wie in den vergangenen beiden Jahren. Die Chancen der Migranten auf gleiche Teilhabe haben sich durch wichtige gesetzliche Änderungen wesentlich verbessert. Hierfür stehen beispielsweise das Gesetz zur verbesserten Anerkennung ausländischer Abschlüsse oder das eigenständige Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende. In den Bereichen Sprache, Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt sind wir große Schritte vorangekommen. Zugleich wird deutlich: Um die Herausforderungen der Zukunft meistern zu können, haben wir einen Paradigmenwechsel von der nachholenden zur vorausschauenden Integrationspolitik eingeleitet: Wir öffnen neben der Reparaturwerkstatt jetzt die Zukunftswerkstatt“, betonte Staatsministerin Maria Böhmer bei der heutigen Vorstellung des 9. Berichts über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland. Zuvor hatte sie den Bericht dem Bundeskabinett vorgelegt.

Der Bericht umfasst den Zeitraum von Frühjahr 2010 bis Frühjahr 2012. Während die Zahl der Gesamtbevölkerung zurückgeht, steigt der Anteil der Migranten: 2010 lebten 15,7 Millionen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Migranten besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. „Entscheidende Voraussetzung für eine gelingende Integration sind gute Sprachkenntnisse. Umso wichtiger ist die Sprachförderung von Anfang an. Es ist ein großer Fortschritt, dass gezielte Sprachförderung im Kindergarten nahezu flächendeckend in allen Bundesländern stattfindet. Wegen der zahlreichen unterschiedlichen Verfahren haben Bund und Länder beschlossen, gemeinsam die Wirksamkeit der Sprachfördermaßnahmen zu überprüfen. Das begrüße ich ausdrücklich. Der Bund setzt bei der Sprachförderung von Anfang an ein wichtiges Zeichen: Das Programm „Offensive Frühe Chancen“ des Bundesfamilienministeriums stellt von 2011 bis 2014 insgesamt 400 Millionen Euro für 4000 Schwerpunkt-Kitas zur Verfügung“, erklärte Böhmer.

Die Betreuungsquoten von Kindern mit Migrationshintergrund zwischen 3 und unter 6 Jahren haben sich positiv entwickelt. Die Quote stieg von 2008 bis 2010 von 81,8% auf 85,7%. Die Daten des Lageberichts zur Bildung zeigen, dass die Migranten aufholen. So ist der Anteil der ausländischen Schüler, die die Schule mit einer (Fach-) Hochschulreife verlassen, von 2005 bis 2010 um insgesamt 36% gestiegen. Bei den deutschen Schülern betrug der Anstieg 26%. Allerdings ist der Abstand noch beachtlich: Von den deutschen Schulentlassenen erreicht etwa jeder dritte (36%) die (Fach-) Hochschulreife, von ausländischen Schülern nicht einmal jeder Sechste (15%).

Verbesserte Ausbildungsbeteiligung von ausländischen Jugendlichen

Die Ausbildungsbeteiligungsquote ausländischer Jugendlicher hat sich von 31,4% im Jahr 2009 auf 33,5% im Jahr 2010 leicht erhöht. Bei den deutschen Jugendlichen betrug sie 65,4%.

2011 waren durchschnittlich über 200.000 Ausländer weniger arbeitslos gemeldet als im Jahr 2005. Die Arbeitslosenquote sank von 2010 zu 2011 von 18,2% auf 16,9%. Allerdings liegt die Quote der arbeitslosen Ausländer nach wie vor doppelt so hoch wie die der Deutschen (7,2%).

„Ermutigend ist, dass Arbeitgeber verstärkt auf die Potenziale von Migranten setzen. Das zeigt die hohe Zahl von über 1250 Unterzeichnern der „Charta der Vielfalt“ mit über 6,5 Millionen Beschäftigten. Die Charta richtet sich auch an den öffentlichen Dienst. Wir brauchen mehr Migranten als Erzieherinnen und Lehrkräfte, bei der Polizei und Feuerwehr und in der Verwaltung. Sie sind wichtige Brückenbauer!“, so Böhmer. Erfreulich sind auch Entwicklungen bei der gesellschaftlichen Integration, beispielsweise beim bürgerschaftlichen Engagement. Das Interesse von jungen Migranten, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist zum Teil höher als bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Insbesondere die in Deutschland geborene 2. Generation engagiert sich: Von ihnen waren 2009 insgesamt 33,5% Mitglied in einem gemeinnützigen Verein oder einen gemeinnützigen Organisation. Aus der gesamten Bevölkerung waren es 37,7%.

„Die Botschaft lautet: Immer mehr Migranten sagen voll und ganz Ja zu unserem Land. Deshalb werbe ich auch offensiv für Einbürgerungen. Es ist höchst erfreulich, dass sich die Zahl der Einbürgerungen leicht erhöht hat (2009-2010: von 96.122 auf 101.570). Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, hat das Recht, wählen zu können und selbst gewählt zu werden und damit die Geschicke unseres Landes aktiv mitgestalten zu können. Wer ein kommunales Wahlrecht fordert, bleibt dagegen auf halber Strecke stehen“, betonte Böhmer. Mit Nachdruck setzt sich die Staatsministerin dafür ein, die Einbürgerungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. „Ich halte es für dringend notwendig, dass die Behörden die Willkommenskultur auch in der Praxis umsetzen. Bei den Einbürgerungsverfahren müssen Integrationsleistungen stärker anerkannt werden“, so die Integrationsbeauftragte.

Integrationsleistungen anerkennen

„Integrationsleistungen anzuerkennen ist auch der rote Faden beim eigenständigen Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende, das seit einem Jahr gültig ist. Viele junge Menschen haben nun unabhängig von ihren Eltern eine eigene dauerhafte Aufenthaltsperspektive in Deutschland ohne die ständige Angst, abgeschoben zu werden. Jetzt gilt es, grundsätzlich eine stichtagsunabhängige gesetzliche Regelung zu schaffen. Ich unterstütze die Forderung der Integrationsministerkonferenz: Geduldete sollen bei nachhaltiger Integration ein Aufenthaltsrecht erhalten“, so Böhmer.

Maxime der Integrationspolitik ist es, Integration verbindlicher zu gestalten. Dafür stehen die Bleiberechtsregelungen, das im April in Kraft getretene Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse, der Nationale Aktionsplan Integration und die individuellen Integrationsvereinbarungen, die zur Zeit in 18 Kommunen und Landkreisen erprobt werden.

Paradigmenwechsel notwendig

„Zusätzlich ist ein Paradigmenwechsel zur vorausschauenden Integrationspolitik notwendig: Zuwanderung und Integration müssen stets zusammen gesehen werden. Die Fehler der Vergangenheit, als die Zuwanderer sich weitgehend selbst überlassen wurden, dürfen nicht wiederholt werden. Vorbereitende Integration muss schon im Herkunftsland beginnen, insbesondere mit dem Erwerb der deutschen Sprache und der Wahrnehmung von Integrationsangeboten. Anschließend müssen die Zuwanderer so schnell wie möglich nach ihrer Ankunft in Deutschland Fuß fassen. Die Integrationsvereinbarungen sind dabei eine wirksame Hilfe. Sie stärken die Vernetzung der verschiedenen Akteure vor Ort. Die intensivere Vernetzung ermöglicht beispielsweise ein gezieltes Übergangsmanagement vom Sprachnachweis im Herkunftsland zur schnelleren Einmündung in den Integrationskurs. Ein wichtiges Anliegen ist mir, dass auch EU-Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs erhalten. Integration ist auch bei Menschen aus EU-Ländern kein Selbstläufer!“, betonte die Staatsministerin.

„Qualifizierte Zuwanderung sichert die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. Um Deutschland für Fachkräfte attraktiv zu machen, brauchen wir eine überzeugende Willkommens- und Anerkennungskultur. Erforderlich ist ein gesellschaftlicher Wandel bei der Haltung gegenüber Migranten: von der Abwehrhaltung hin zum Willkommen und zur Wertschätzung. Alle, die auf Dauer in unserem Land leben, sollen hier ihre Heimat finden und am Leben in all seinen Facetten teilhaben. Menschen der 3. oder 4. Generation sollten sich nicht mehr als Migranten fühlen müssen oder als solche angesehen werden. Sie gehören schon längst dazu! Jeder Einzelne kann zum Aufbau eines Wir-Gefühls einen Beitrag leisten. Deutschland braucht dieses Wir-Gefühl, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können.“

Den gesamten 9. Lagebericht sowie eine Kurzfassung erhalten Sie unter <link http: www.integrationsbeauftragte.de _blank external-link-new-window external link in new>www.integrationsbeauftragte.de.

Quelle: Bundesregierung

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