Familienpolitik

PFAD-Stellungnahme zur Benachteiligung von Adoptiv- und Pflegeeltern bei der sogenannten Mütterrente

Zeitgleich zum Artikel "Kinder zweiter Klasse" im Nachrichtenmagain DER SPIEGEL 1/2015, veröffentlicht der PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V. am 29.12.2014 eine Stellungnahme zum Thema Mütterrente.

07.01.2015

Seit Herbst 2014 erreichen den PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien täglich mindestens zwei Anfragen von betroffenen Adoptivmüttern, die keine Erziehungsleistung für ihre Adoptivkinder anerkannt bekommen.

Am 01.07.2014 trat das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung in Kraft. Bestandteil dieses Gesetzespaketes ist die sogenannte Mütterrente. Viele Adoptiv- und Pflegemütter haben gehofft, dass endlich ihre Erziehungsleistung anerkannt wird, wie es der Koalitionsvertrag (S.73) verspricht. Dort heißt es: "Die Erziehung von Kindern ist Grundvoraussetzung für den Generationenvertrag der Rentenversicherung. Während Kindererziehungszeiten ab 1992 rentenrechtlich umfassend anerkannt sind, ist dies für frühere Jahrgänge nicht in diesem Umfang erfolgt. Diese Gerechtigkeitslücke werden wir schließen. Wir werden daher ab 1. Juli 2014 für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Entgeltpunkt in der Alterssicherung berücksichtigen. Die Erziehungsleistung dieser Menschen wird damit in der Rente besser als bisher anerkannt."

Doch die Erziehungsleistung von Adoptiv- und Pflegemüttern war nicht im Blick. Betrachtet man den Text der Gesetzesänderungen (Bundesdrucksache 18/909), wird deutlich, dass Geburt mit Erziehungsleistung gleichgesetzt wird.

In der Logik des Rentenrechts gibt es keinen Unterschied zwischen Geburt und Erziehungsleistung. Doch die Wirklichkeit ist anders. Jährlich werden mehrere Tausend Kinder in Pflegefamilien untergebracht. Im Jahr 2012 waren das für den Altersbereich bis zu 9 Jahren 9.924 Kinder. Etwa ein Fünftel der Pflegekinder gehen wieder zurück in ihre leiblichen Familien (vgl. Destatis Artikelnr. 5225115127005 vom 17.04.2014). Im gleichen Jahr wurden 1.416 Kinder (0 bis 9 Jahre) adoptiert (vgl. Destatis Artikelnummer: 5225201127005 vom 26.07.2013). Das sind aktuell fast zehntausend Kinder jährlich, bei denen Erziehungsleistung und Geburt auseinanderfallen, also die Erziehung nicht von denjenigen Müttern und Vätern geleistet wird, bei denen das Kind geboren wurde.

Soweit die aktuellen Zahlen. Das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung will die "Lebensleistung von Müttern", so sagt jedenfalls Frau Andrea Nahles, die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, "anerkennen" (TOP 3, Plenarsitzung am 03.04.2014). Doch fast 40 Tausend Mütter und Väter werden dabei vergessen, die Adoptiv- und Pflegefamilien, die ein Kind nach dessen 12. Lebensmonat aufgenommen haben. Dies ergibt sich aus Hochrechnung der Adoptionszahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden.

Diese weisen für die Jahre 1950, 1955, 1960, 1965, 1970, 1975 und 1980 55.416 Adoptionen von Minderjährigen aus. Doch liegen nur für jedes fünfte Jahr Zahlen vor. Für die Anerkennung von Mütterrente sind eher die Zahlen ab 1960 interessant, und dies sind ca. 150.000 Minderjährigenadoptionen. Ab den achtziger Jahren gibt es jährlich Angaben zu Adoptionen. Von 1982 bis 1990 waren es insgesamt 71.574 Adoptionen.

In diesen Gesamtzahlen sind auch die Adoptionen durch Stiefeltern oder Verwandte enthalten.
Bis 1980 kann man von ca. 33% Adoptionen durch Stiefeltern oder Verwandte ausgehen. So bleiben es ca. 100.500 Kinder, die über Adoption neue Mütter und Väter bekamen. Die Adoption durch Stiefeltern und Verwandte ist tendenziell steigend. So waren dies in den achtziger Jahren bereits 49%. Für 35.400 Kinder wurden in den Achtzigern neue Familien gefunden. Seit den sechziger Jahren wurde für mehr als 135.000 Kinder die Erziehungsleistung in einer neuen Familie erbracht.

Die Statistik erfasst beim Zählen der Adoptionen Altersgruppen. Diese sind: unter 1; 1 bis unter 3; 3 bis unter 6, 6 bis unter 12; 12 und älter. Betrachtet man nur die Altersgruppe der Kinder von 13 bis 36 Monate, kommt man bei einem Anteil dieser Altersgruppe von 27% auf mehr als 36.000 Kinder. Das sind nur die Adoptionen.

Der PFAD Bundesverband hatte bereits beim Entwurf vom 22. Januar 2014 bemängelt, dass das pauschalisierte Verfahren (§ 307d) viele Mütter benachteiligt. Nur dort, wo das Kind im 12. Lebensmonat gezählt wurde, erhalten Mütter auch für das zweite Lebensjahr einen Entgeltpunkt gutgeschrieben. Doch viele der leiblichen Mütter, deren Kind über die öffentliche Jugendhilfe in eine andere Familie kam, bekommen durch die Mütterrente keinen Cent mehr. Die sogenannte "Mütterrente" wird bei Sozialleistungsempfängern (Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung sowie Grundsicherung für Arbeitssuchende – Hartz 4) als Einkommen angerechnet. Das heißt, die aus Steuermitteln finanzierten Leistungen werden um den Betrag der "Mütterrente" reduziert.

Die Mittel der beitragsfinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung werden eingesetzt, um Steuermittel einzusparen. Das betrifft aktuell ca. 300.000 Frauen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/1489 S.20). Über 90 Millionen Euro fließen dann aus der Rentenkasse ins Steuersäckel. Keine einzige Mutter hat etwas davon.

Will man wirklich die Lebensleistung von Müttern, auch Adoptiv- und Pflegemüttern in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkennen, ist es notwendig, für alle Kinder bis 12 Jahre die Erziehungsarbeit zu honorieren. Diese Leistung soll mit mindestens einem Entgeltpunkt oder der Anerkennung von 12 Monaten berücksichtigt werden.

Quelle: PFAD Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V.

Redaktion: Ulrike Schulz

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