Kinder- und Jugendarbeit

Online-Jugendarbeit in Finnland

Das Projekt youthpart bei IJAB entwickelt Ansätze von ePartizipation weiter. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist, jugendgerechte Ansprache und Angebote zu untersuchen. Der Blick ins europäische Ausland ist dabei nicht nur hilfreich, sondern auch ein wichtiger Teil des Projektes. Bernd Dörr beschreibt Ansätze von Jugendarbeit online mit Blick nach Finnland.

19.01.2012

Der Autor Bernd Dörr (Dipl. Soz. Päd.) arbeitet als Leiter eines Medienkompetenzzentrums und freiberuflicher Dozent in Berlin. Seine Schwerpunkte sind: Medienbildung, Social Communities, Web 2.0 in Medienpädagogik und neuen Lernformen sowie e/online-Learning und Open Source. Blog: <link http: digitalareal.wordpress.com _blank external-link-new-window external link in new>digitalareal.wordpress.com

In vielen europäischen Ländern sind in den letzten Jahren Initiativen entstanden, die das Grundbedürfnis der Jugendlichen sich im Internet frei zu bewegen ernst nehmen. Vielfach sind es freie Träger der Jugendarbeit, die ansprechende Portale gestalten und online stellen. Mit dem Trend zu sozialen Netzwerken begann aber auch die Diskussion über den Umgang damit: Wie müssen wir unsere Webseiten gestalten, damit die Jugendlichen nicht abwandern? Andere Stimmen sprachen für eine Beteiligung innerhalb der immer größer werdenden Online-Communities und entwickelten ein auf Interaktion mit den Jugendlichen ausgerichtetes Profil, beispielsweise in Facebook.

Gemäß der Devise in der Jugendarbeit, die Jugendlichen dort abzuholen, wo sie sich aufhalten, also im Internet, hat in Finnland ein Verein diese Idee online umgesetzt. Der Verein <link http: netari.fi _blank external-link-new-window external link in new>Netari.fi hat sich 2004 das Ziel gesetzt in bestimmten Portalen ihre Präsenz als Jugendarbeiter/innen anzubieten. Vorab stand eine Analyse, wo die Jugendlichen sich aufhalten, damals starteten sie mit eigenen Präsenzen in den Portalen <link http: www.habbo.fi groups netari _blank external-link-new-window external link in new>Habbo Hotel und der in Finnland sehr beliebten Chat-Plattform <link http: irc-galleria.net community _blank external-link-new-window external link in new>IRC-Gallery.

Das Konzept sah vor mit einem multi-professionellen Team zu festgelegten Zeiten auf beiden Plattformen mit eigenen virtuellen Räumen präsent zu sein. Multi-professionell heißt dabei, dass nicht nur Jugendarbeiter/innen zu dieser Zeit in ihren online-Einrichtungen anwesend waren, sondern auch eine <link https: www.facebook.com verkkoterkkarit _blank external-link-new-window external link in new>Krankenschwester und ein <link http: irc-galleria.net user oulunpolliisi _blank external-link-new-window external link in new>Polizist. Für die Jugendlichen sollte die Hürde so niedrig wie möglich sein, Fragen in diesen Gebieten wie Beratung in sozialen, medizinischen oder rechtlichen Dingen stellen zu können.

Das Konzept hat sich bewährt: inzwischen teilen sich die jeweiligen Beratungsgebiete ganze Teams, um in einem personellen Wechsel eine möglich hohe Stundenzahl in der online Beratung gewährleisten zu können. Zu den in den jeweiligen Portalen veröffentlichten „Öffnungszeiten“können Jugendliche das Gespräch suchen, sich einfach nur austauschen oder gezielt Unterstützung in ihrer Situation finden. Dazu haben die Portale in einer Zusammenarbeit die technischen Möglichkeiten geschaffen die Unterhaltung mit den Jugendlichen entweder für Alle offen zu gestalten oder sich in geschlossene Räume zurückzuziehen. Dort finden die Gespräche zwischen dem/der Berater/in und dem/der Jugendlichen statt und bieten somit einen geschützten Rahmen für das Anliegen.

Inzwischen sind weitere Portale wie <link http: demi.fi demila _blank external-link-new-window external link in new>Demi.fi, das sich an Mädchen und junge Frauen richtet, <link http: summeri.squarespace.com netari-tv _blank external-link-new-window external link in new>Netari-TV, das über einen parallelen Chat das web TV des Landessenders YLE und die Zuschauer verbindet, und <link https: www.facebook.com netariville _blank external-link-new-window external link in new>Facebook [8] hinzugekommen, wobei die Facebook-Seite als Organisationsseite zum Spielen, Rätsel lösen, dem zweimal in der Woche stattfindenden Beratungs-Chat und zum Austausch von eigenen Fotos oder Videos der Jugendlichen dient.

2004 startete Netari.fi als eine Initiative des Jugendamtes von Helsinki und wird seit 2007 aufgrund der guten Ergebnisse und der regen Nachfrage seitens der Jugendlichen vom 'Ministry of Education' und dem 'Ministry of Social Affairs and Health' finanziell unterstützt. Durch das 'Ministry of Education' wurde damals der Stadtverwaltung von Helsinki die finanzielle Unterstütztung des Projekts zugesagt und gleichzeitig der Auftrag erteilt, das Projekt auf Landesebene auszudehnen.

Heute arbeitet Netari.fi mit den Jugendämtern in 29 Städten zusammen, außerdem mit weiteren Ämtern in Helsinki (Gesundheit, Soziales, Erziehung), der <link http: www.poliisi.fi poliisi oulu home.nsf pages indexeng _blank external-link-new-window external link in new>finnischen Polizei und ist Mitinitiator weiterer Initiativen in der Jugendarbeit.

Warum das Projekt so erfolgreich ist? Natürlich in erster Linie durch das passende Angebot bei einer offensichtlichen Nachfrage! So kann es auch in anderen Ländern aussehen, auch bei uns, nur müssen dazu die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden! Im Netari Projekt gehört bspw. zum Arbeitsprofil eines/r Jugendarbeiter/in die online Tätigkeit dazu! Wie diese Arbeitszeit in welchen Portalen ausgestaltet wird liegt in den Händen der Einrichtung, aber es gehört definitiv zur normalen Arbeit und wird nicht zusätzlich oder als freiwillige Leistung verlangt. Somit können klare online Zeiten kommuniziert werden wie die Öffnungszeiten eines Geschäfts, darauf können sich die Jugendlichen auch verlassen.

Das Angebot der online Jugendarbeit wird von den Jugendlichen sehr gut angenommen, was sich  in den Besucherzahlen ausdrückt: waren es 2008 noch 120.000 Kontakte und Besuche von jungen Menschen auf den Seiten und den virtuellen Räumen von Netari.fi, so waren es 2009 bereits knapp 160.000. Davon waren 2008 ca. 10.000 Kontakte Beratungen, Hilfestellungen und Diskussionen, in 2009 betrug die Zahl bereits 18.000 Kontakte.

Der Erfolg beruht auch auf der Herangehensweise der Mitarbeiter/innen: prinzipiell spricht sich das Angebot durch das Weitersagen zwischen Jugendlichen in der realen und der online Welten herum. Niemandem wird „aufgelauert“, sondern die Jugendlichen schauen sich das Angebot an und nehmen bei Bedarf Kontakt mit den Mitarbeiter/innen auf. So bleibt die Privatsphäre der Jugendlichen geschützt und respektiert.

Die Möglichkeiten einer online Jugendarbeit auszuloten sollte auch in unserem Land möglich sein, v.a. mit der Blickrichtung auf eine stärkere Beteiligung von jungen Menschen an der Entscheidungsfindung  in politischen und administrativen Dingen. Das finnische Modell Netari.fi kann ein Beispiel sein, wie die Wirklichkeit Jugendlicher aufgegriffen und ihnen auf Augenhöhe begegnet werden kann.

Diese(s) Werk bzw. Inhalt von Bernd Dörr steht unter einer Creative Commons Namensnennung-Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland Lizenz.

<link http: creativecommons.org licenses by-nd de _blank external-link-new-window external link in new>creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/

Back to Top