Freiwilliges Engagement

Audioprojekt „80vontausend“ mit „Otto-Wels-Preis für Demokratie 2014“ ausgezeichnet

Frühjahrsempfang der SPD Mai 2014 - Preisverleihung 80vontausend

In Gedenken an die Rede des damaligen SPD-Vorsitzenden Otto Wels im April 1933 gegen die Ermächtigungsgesetze der Nationalsozialisten, zeichnet die SPD-Bundestagsfraktion jährlich soziokulturelle Einrichtungen, Initiativen und Vereinen aus.

12.05.2014

In diesem Jahr haben sich 70 Projekte beworben, die sich mit den Mitteln der Kunst und Kultur in besonderer Weise gemeinnützig für soziale Integration und Demokratie engagieren.

Das partizipative Audioprojekt „80vontausend – Mehr Demokratie tragen!“ wurde mit dem 1. Platz des „Otto-Wels-Preis für Demokratie 2014“ der SPD-Bundestagsfraktion ausgezeichnet: „In besonderer Weise wurden hier Geschichten und Erlebnisse, die uns immer wieder neu den Wert von Demokratie aufzeigen, verständlich gemacht und in einer spektakulären Weise so aufbereitet, dass sie wirklich hautnah bzw. hörbar erlebt und erfahren werden können“, begründete die Jury <link http: www.spdfraktion.de themen _blank external-link-new-window external link in new>(LINK).

An der Realisierung des Audi-Projektes haben ganz demokratisch weit über 20 Initiativen, Vereine, Schulen- und Ausbildungseinrichtungen, Theater und Kunstvereine und zahlreiche Einzelpersonen aus der „Hauptstadt Berlin“ und aus der „Wiege von Deutschland“, Eisenach, zusammen gearbeitet – insgesamt beinahe 700 Personen. Die Trägerschaft hatte der Verein „netzwerk junge ohren e.V.“ übernommen. Initiator und Künstlerischer Leiter war Hans Ferenz.

Im Rückblick auf die Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Januar 1933 wurden während der achtmonatigen Vorbereitungsphase in zahlreichen Diskussionsrunden und über 40 Einzelgesprächen in 14 Schulen, in Jugendzentren, Ausbildungs- und Kultureinrichtungen nach Geschichten, Erinnerungen und Erlebnisse rings um unsere täglich gelebte Demokratie gefragt, nach Grenzbereichen, Übertritten und Tyrannei. Alte, Erwachsene und Jugendliche, mit und ohne Behinderungen, mit und ohne Migrationshintergrund, Theatergruppen, Musiker, Chöre, Zeitzeugen beteiligten sich.

Von früh am Morgen bis in den späten Abend hinein trugen sie schließlich in großen und kleinen Gruppen bis zu 40 Rucksäcke mit Lautsprechern durch ihre Stadt, im Oktober in Berlin, im November in Eisenach, zu Fuß, auf Skateboards und Einrädern, an ihrem Rollstuhl: vor Aldi und Lidl, vor ihrem Theater und Kino, auf Schulhöfen, über Einkaufsstraßen, durch das Brandenburger Tor, von der Wartburg. Überall entstanden klingende Ausstellungsräume, die nicht auf Besucher warteten, sondern diese in ihrem Alltag aufsuchten.

Zu hören war eine Berlinerin, die sich an den Sommer 1940 erinnerte, als sie mit ihrer jüdischen Freundin nicht mehr zusammen auf einer Parkbank sitzen durfte. Eine geborenen Leipzigerin berichtete von den grimmigen Gesichtern ihrer Nachbarn, als im Mai ’45 über die „Goebbelsschnauze“ die Kapitulation verkündet wurde. In einem Berliner Sandkasten wurde die zurückgelassene Pistole des Vaters vergraben, weil die Mutter ihre Kinder doch nicht vor Ankunft der Russen erschießen wollte.  Mit dem Einmarsch der Alliierten wandelten sich überzeugte Nationalsozialisten zu überzeugten Demokraten: Bürgermeister blieben Bürgermeister, Polizisten blieben Polizisten.

Eine junge Frau berichtet mit zitternder Stimme vom ehemaligen Neonazi-Freund ihrer Mutter, der sie wegen ihrer polnischitalienischen Abstammung als Abschaum beschimpfte, die Mutter wegen ihres „Bastards“ bis zum Röcheln würgte, mitten in Eisenach.
Ein alter Jude, der als Kind den Nationalsozialisten mit Hilfe nichtjüdischer Nachbarn entkam, lebt gerne in Deutschland, traut sich mit seiner Kipa aber nicht mehr auf die Berliner Straßen.
Zu hören war auch die dritte Strophe der deutschen Nationalhymne: gesungen in anderen Sprachen, von Spanisch bis Griechisch, Französisch bis Fasi, gespielt auf „Instrumenten mit Migrationshintergrund“, mit Saz, Santur und Dudelsack, mit Rockgitarre oder als „BeatBox-Version“.
Und immer dort, wo Berliner/-innen und Eisenacher/-innen mit ihren Rucksäcken voll Hymnen, Erlebnissen und Geschichten auftauchten, bildeten sich kleine Diskussionsrunden über Toleranz, Achtung, Freiheit und den „Wert“ von Demokratie – oft mitten in der Fußgängerzone, auf Wochenmärkten, am Bratwurststand, im Schulhof, vor dem Theater oder mal schnell auf der Rolltreppe im Einkaufscenter.

Begleitet wurden diese stadtweiten Audio-Aktionen durch rund zwei Dutzend ehrenamtlich organisierter Lesungen, Theater- und Varieté- Vorstellungen, Auftritte von Chören und Musikern, Stadtwanderungen und Führungen, einer Foto-Ausstellung sowie Diskussions- und Gesprächsangebote zum Themenfeld Demokratie.

„Die Anerkennung durch den ‘Otto-Wels-Preis für Demokratie‘ gilt vor allem den beinah 700 Beteiligten, die sich mit ihrer Kraft, ihren Ideen und ihren Statements und ihrer Zeit ‘80vontausend‘ zum Leben erweckt haben. Ohne jeden Einzelnen ist ein so komplexes Projekt, das von all seinen Köpfen lebt, nicht möglich“, so Hans Ferenz, Künstlerischer Leiter.

Der Preis ist auch eine motivierende Bestätigung für das gesamte Projektteam aus Berlin und Eisenach, das für 2014 bereits an einem Folgeprojekt arbeitet: Unter dem Titel „Zwei-Land – Mehr Demokratie tragen!“ wird sich das mobile Audio-Demokratieprojekt mit der innerdeutschen Grenzöffnung vor 25 Jahren befassen.

Weitere Informationen gibt es unter: www.80vontausend.de.

Quelle: Hans Ferenz, netzwerk junge ohren e. V. vom 11.05.2014

Redaktion: Astrid Bache

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