Jugendpolitik

AGJ fordert die Stärkung einer kommunalen Kinder- und Jugendbeteiligung

In einem neuen Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ werden Beteiligungsrechte sowie Interessen und Themen junger Menschen aufgeführt. Dadurch lassen sich diverse Beteiligungsformate aufzeigen, die auf die jeweiligen kommunalen Gegebenheiten Anwendung finden können.

11.12.2015

Kinder und Jugendliche wollen ihre Umgebung und Lebensrealität mitgestalten und bei gesellschaftlichen und politischen Prozessen mitentscheiden. Sie haben ein Interesse daran, das Hier und Jetzt wirksam zu beeinflussen und bei den Weichenstellungen für ihre Zukunft gefragt zu werden. Die Mitgestaltung unserer gesellschaftlichen Realität und der Zukunft durch Kinder und Jugendliche lässt sich durch keine andere Bevölkerungsgruppe oder Perspektive ersetzen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels kommen junge Menschen zudem zunehmend in die Minderheit. Ihre Interessen und Bedürfnisse unterscheiden sich darüber hinaus in mancherlei Hinsicht von denen anderer Altersgruppen. Durch diese Entwicklungen geraten die nachwachsenden Generationen zunehmend unter Druck, ihre Beteiligungsinteressen, ihren Rechten entsprechend, wahrnehmen zu können.

Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ ist Partizipation von Kindern und Jugendlichen gerade in der Kommune unverzichtbar, nicht nur weil sie ein gesetzlich verbrieftes Recht darauf haben, als Expertinnen und Experten in eigener Sache an Prozessen und Entscheidungen, die Auswirkungen auf ihre Lebensrealität und ihre Zukunftschancen haben, beteiligt zu werden. Kommunale Kinder- und Jugendbeteiligung ist auch insbesondere deshalb von zentraler Bedeutung, weil es hier darum geht, das unmittelbare Umfeld mitzugestalten und weil die Kommunen entsprechende Möglichkeiten für die Wirksamkeit von Beteiligung schaffen können.

Beteiligung ist darüber hinaus eine zentrale Dimension des Wohlbefindens junger Menschen. Die Erfahrung, dass die eigenen Ansichten wahrgenommen und Anliegen berücksichtigt werden, trägt wesentlich zur Entwicklung einer eigenständigen Persönlichkeit und eines gesunden Selbstbewusstseins bei. Sich als selbstwirksam zu erleben und spürbar beteiligt zu werden schafft außerdem eine unverzichtbare Grundlage, damit Kinder und Jugendliche lernen, Verantwortung für sich und ihre Mitmenschen zu übernehmen; es ist eine zentrale Voraussetzung für soziales Handeln und eine Basis für politisches Interesse ebenso wie für bürgerschaftliches Engagement.

Doch nicht nur für Kinder und Jugendliche ist Beteiligung ein Gewinn. Die am Prozess beteiligten Erwachsenen in Institutionen, Politik und Verwaltungen erhalten wertvolle Erkenntnisse, gewinnen wichtige Einsichten in die Lebenswirklichkeit der jungen Generation und entdecken neue Perspektiven, wenn sie Kinder und Jugendliche als Expertinnen und Experten in eigener Sache ernst nehmen, wodurch Planungen und Entscheidungen innovativer und passgenauer werden.

Nicht zuletzt ist es die kommunale Ebene , die von einer wirksamen Kinder- und Jugendbeteiligung nachhaltig profitiert, denn die konsequente Beteiligung junger Menschen hilft Kommunen dabei, kind- und jugendgerecht zu bleiben oder zu werden.

Aus diesen Gründen hält die AGJ Kinder- und Jugendbeteiligung für zentral und fordert mit diesem Positionspapier eine Stärkung auf kommunaler Ebene. Anhand der im folgenden aufgeführten Beteiligungsrechte und -standards sowie Interessen und Themen junger Menschen, lassen sich diverse Beteiligungsformate aufzeigen, die auf die jeweiligen kommunalen Gegebenheiten Anwendung finden können.

Inhalte des Positionspapiers

  • Interessen und Themen junger Menschen
  • Recht auf Beteiligung
  • Beteiligungsstandards
  • Formen und Ziele kommunaler Kinder- und Jugendbeteiligung
  • Forderungen zur Stärkung kommunaler Kinder- und Jugendbeteiligung

Konkrete Forderungen der AGJ

Die AGJ fordert:

  • politische Entscheidungsträger in den Städten, Gemeinden und Landkreisen auf, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen anzuregen und im Zusammenwirken mit den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe zu fördern. Dazu gehört auch, die bestehenden gesetzlichen Beteiligungsformen aktiv umzusetzen und zu fördern. Beteiligung verlangt die Anerkennung der Zugehörigkeit von Kindern und Jugendlichen, ihren Organisationen und Einrichtungen zu ihrer Gemeinde, ihrem Stadtteil oder ihrer Stadt. Eine Politik mit Kindern und Jugendlichen setzt auf ihre Stimme, nutzt ihr Expertenwissen und fördert ihre Aktivitäten. Die praktische Umsetzung dieses Beteiligungssettings sollte eine möglichst große Bandbreite besitzen und alle Varianten bis hin zur Mit-Entscheidung beinhalten.
  • Verwaltungsstrukturen transparenter zu gestalten und Partizipationsprozesse von Ressort- und Verfahrensgrenzen loszulösen, um kommunale Planungs- und Beteiligungsprozesse, welche die Rechte und Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, kinder- und jugendgerecht umsetzen zu können.
  • ausreichend Zeit und Geld für Beteiligungsprozesse. Alle bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass Beteiligung nicht sofort und nicht zum Nulltarif zu haben ist. Zusätzliche Mittel zur Verbesserung der Beteiligung sollten aus dem Etat der Kommunalparlamente bereitgestellt werden, um zu dokumentieren, dass die Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen nicht nur eine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe, sondern eine Verantwortung der politischen Akteure in den Städten und Gemeinden darstellt. Partizipation von Kindern und Jugendlichen sollte aber auch verbindlich in den Landesausführungsgesetzen und Verwaltungsvorschriften der Länder aufgenommen werden.
  • eine von Ländern und Kommunen auskömmlich finanzierte vielfältige Kinder- und Jugendarbeit. Denn Kinder- und Jugendarbeit ist in ihren vielseitigen Formen eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute kommunale Beteiligungskultur.
  • eine regelhafte kommunale Infrastruktur für Partizipationsprozesse, die Kindern und Jugendlichen jederzeit Beteiligung ermöglicht und sie dabei fördert und unterstützt. Projekte alleine, die von Zeit zu Zeit stattfinden, sind kein wirksamer Weg, um eine konstante und konstruktive Beteiligungskultur junger Menschen zu etablieren. Diese Infrastruktur sollte auf den bestehenden Strukturen der Interessenvertretung junger Menschen aufgebaut und Doppelstrukturen vermieden werden.  
  • Beteiligungsprozesse altersgerecht und zielgruppenbezogen auszugestalten. Erprobte und erfolgreiche Verfahren der Kinder- und Jugendarbeit und -bildung zur Beteiligung, insbesondere in Zusammenarbeit mit den Schulen vor Ort, müssen allen Kommunen zugänglich gemacht werden und, entsprechend der örtlichen Situation, im Zusammenwirken zwischen Politik, Verwaltung und Kinder- und Jugendhilfe gestaltet werden. Die Möglichkeit des Erlebens und Mitgestaltens von Demokratie im unmittelbaren Umfeld der jungen Menschen darf keine Frage des Alters, sondern muss vielmehr eine des Interesses sein. Die Lebensweltorientierung als wichtiges Merkmal von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe und insbesondere der Kinder- und Jugendarbeit muss für die Umsetzung dieser Maxime daher von zentraler Bedeutung sein.
  • Expertinnen und Experten für Kinder- und Jugendbeteiligung zur Unterstützung heranzuziehen. Die Motivation, Begleitung, Moderation und Evaluation muss Kern professionellen pädagogischen Handelns im Sinne von Kinder- und Jugendbeteiligung sein. Ein Verständnis von Meinungs- und Entscheidungsfindung in der Demokratie insbesondere auf kommunaler Ebene sowie die Fähigkeit, dieses Wissen zu vermitteln sind grundlegend.
  • die Qualifizierung von Fachkräften zu Zielen und Methoden der Kinder- und Jugendbeteiligung im Rahmen der Ausbildung und des Studiums zu intensivieren und entsprechende zeitgemäße Fortbildungsangebote auf Landesebene zu entwickeln und anzubieten.
  • für kommunale Beteiligungsverfahren ein Monitoring durch die Kinder- und Jugendhilfe und eine öffentliche Darstellung und Bewertung durch Kinder und Jugendliche. Nur so kann ständige Verbesserung gelingen.
  • die bundeseinheitliche Absenkung des Wahlrechts für Kommunalwahlen auf mindestens 16 Jahre. Nur so können mehr junge Menschen an formalen politischen Entscheidungen beteiligt werden und die Parteien und politischen Vereinigungen vor Ort endlich wirksam aufgefordert werden, verstärkt für diese Altersgruppe politisch aktiv zu werden und diese zu repräsentieren. Es ist nicht mehr nachvollziehbar für junge Menschen, warum sie als Parteimitglieder an Abstimmungen über Koalitionsverträge und Spitzenkandidaten teilnehmen dürfen, aber nicht an formalen Wahlen. Insbesondere auf kommunaler Ebene kann das Herabsetzen des Mindestalters für das aktive Wahlrecht zu einem höheren Interesse für kommunale Angelegenheiten führen.

Das vollständige Positionspapier steht zum <link file:15108 _blank download file>Download (PDF, 122 KB) zur Verfügung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe AGJ

Redaktion: Kerstin Boller

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