Stellungnahme

Stärkung statt Pflicht – Engagement lässt sich nicht erzwingen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit seinem Vorschlag einen sogenannten sozialen Pflichtzeit einzuführen eine Debatte über gesellschaftliches Engagement angestoßen. Millionen junger Menschen leisten in der Jugendarbeit und in Freiwilligendiensten bereits viel für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der Bundesjugendring sieht eine Verpflichtung zum Ehrenamt allerdings problematisch und bezieht Stellung.

16.11.2022

Bundesjugendring-Vorsitzende Daniela Broda betrachtet die von Steinmeier angestoßene Debatte als sehr wichtig. Gesellschaftliches Engagement seitens junger Menschen sowie die Erweiterung der Diskussion auf alle Altersgruppen sei zu begrüßen, so Broda. Sie spricht sich allerdings stellvertretend für den Bundesjugendring gegen einen Pflichtdienst aus. Da dieser eher kontraproduktiv wirken würde und zudem ein verfassungsrechtlich problematischer Eingriff in die Freiheitsrechte der Bürger:innen und ihre individuelle Lebensplanung sei.

Bundesjugendring fürchtet weitere soziale Ungerechtigkeiten

Darüberhinaus äußert der Bundesjugendring die Frage, mit welchen Mitteln eine Pflicht durchgesetzt werden würde. Ein Ansatz, bei dem Personen bei Nichterfüllung Leistungen oder Zugänge gestrichen oder Strafzahlungen fällig würden, würde zu weiteren sozialen Ungerechtigkeiten führen und im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass Personen mit entsprechenden finanziellen Mitteln sich „freikaufen“ könnten. Der Bundesjugendring kritisiert weiterhin, dass unklar sei, wie junge Menschen nicht gegenüber älteren Kohorten diskriminiert werden. Wenn die Pflichtzeit für alles Altersgruppen gilt, könne man sie etwa nicht an das Ende einer Ausbildung knüpfen oder vor Antritt eines Studiums erwarten.

Die Praxis zeigt, dass jedes Jahr die Nachfrage nach Freiwilligendienstplätzen höher ist als das Angebot. Deswegen fordert der Bundesjugendring bestehende Freiwilligendienste finanziell zu stärken und auszubauen, statt neue Dienste einzuführen. Konkret würde das bedeuten: Freiwilligendienste müssen finanziell so ausgestattet werden, dass für alle Interessent:innen ein Platz verfügbar ist. Eine Teilnahme sollte zudem unabhängig von der persönlichen und finanziellen Situation möglich sein, ein „Taschengeld“ sollte so bemessen sein, dass Engagierte davon selbstständig leben können. Gleichzeitig müssen bürokratische Hürden abgebaut werden. 

Anerkennung und Wertschätzung statt Zwang und Dienstpflicht

Die Bundesjugendring-Vorsitzende Daniela Broda betont „Anerkennung und Wertschätzung für ehrenamtliches Engagement und nicht Zwang und Dienstpflicht führen zu mehr Solidarität.“ Sie hält Freiwilligkeit und Selbstbestimmung für die Basis erfolgreichen Engagements. Dies könne man am Beispiel der Jugendverbände sehen, so Broda. Über sechs Millionen junge Menschen engagieren sich dort freiwillig. Laut Broda würden auch die Menschen, die trotz guter Rahmenbedingungen kein Interesse haben, sich für die Allgemeinheit zu engagieren, ihre Haltung auch durch einen Pflichtdienst nicht ändern.

Daher appelliert der Bundesjugendring an Politik und Gesellschaft Ehrenamt und Engagement weiter zu stärken. Dazu gehöre vor allem die Entlastung von Bürokratie. Ein Mittel dazu könne die im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung sein, bei der sich auch der Bundesjugendring als zivilgesellschaftlicher Akteur mit Expertise in diesem Feld einbringen wird, so Broda

Quelle: Deutscher Bundesjugendring vom 08.11.2022

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